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Malerei in Wiesbaden
Dass Wiesbaden, die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, nichts Besonderes zu bieten hatte in den Sechzigern, dass Wiesbaden langweilig war, eingerichtet auf die Bedürfnisse von Kurgästen und die Kaufgewohnheiten von Villenbesitzern aus dem Vordertaunus, ist eine Zuschreibung, die ich als Zwölfjähriger nicht habe treffen können, sondern erst im Nachhinein, nachdem ich Wiesbaden verlassen hatte, weshalb diese Zuschreibung vermutlich auch falsch ist oder zumindest unzureichend zur Beantwortung der Frage, warum ein Zwölfjähriger in seiner Freizeit regelmäßig das Landesmuseum aufsucht und anfängt, sich für Kunst zu interessieren.
Das Landesmuseum war ein gemütlicher, etwas düsterer Bau, in dem es allein galt, die hohe Eingangshalle mit ihren Marmorsäulen zu überwinden, um in einem Irrgarten von schmalen, holzgetäfelten Zimmern einzutauchen, fern vom Tageslicht, fern von Wilhelmsstraße und Kurpark, überhaupt fern von der sonstigen Welt des Alltags, der Schule, des Elternhauses und den Anforderungen des Aufwachsens. Vielleicht waren es zuerst gar nicht die Bilder, sondern die Räume, die ungestörte, gleichzeitig geborgene Atmosphäre, die mich anzog, denn an Wochentagen kamen nur wenige Besucher, obwohl der Eintritt frei war.
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